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Chronik der Naturschutzarbeit (Band II)

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Naturschutzarbeit im Niederschlesischen Oberlausitzkreis (NOL)

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• • • • • • • • • • • • • • • • • Naturschutzarbeit • • • • • • • • • • • • • 1949–1989 • • • • • • • • • • • • Zeitzeugenbericht von KNB Eberhard Ulbricht, Weißwasser nacherzählt und aufgeschrieben von Sigrid Drechsler, Dresden Mein Freund Eberhard war Anfang 30 als er 1963 die Stelle des Oberförsters im Waldgebiet W. dicht an der polnischen Grenze antrat. Er war jung, tatendurstig, fesch, diensteifrig, gewissenhaft und ein passionierter Jäger. Schon auf einem seiner ersten Waldgänge machte er die sensationelle Entdeckung, dass es hier, wie 10 Jahre vorher, immer noch Birk- und Auerwild gab. Die größten europäischen Waldhühner waren in unseren Wäldern sehr selten geworden. Für jeden Waidmann war es ein Glück, sie aufzuspüren. Die Jagd auf sie war ganzjährig untersagt. Eberhard war begeistert und nutzte jede freie Stunde zur Beobachtung der Vögel. Es war daher überhaupt keine Frage, dass er die ehrenamtliche Aufgabe des Naturschutzbeauftragten übernahm, um sich noch besser für deren Schutz und Hege einzubringen. Die beste Chance, der prächtigen, scheuen Waldhühner ansichtig zu werden, ist die Balzzeit. Wenn andere behaglich schliefen, zog es Eberhard meist schon am Abend zum Balzplatz, um vor Ort zu sein, wenn in der Morgendämmerung die Hähne mit ihren liebestollen Flattersprüngen und Tänzen die Bodenbalz begannen. Ein großer Teil des Einstandsgebietes war unter Naturschutz gestellt worden. Jegliche Jagd und während der Balzzeit auch alle forstlichen Arbeiten waren dort verboten, um die Balz nicht zu stören und die Fortpflanzung zu sichern. Eberhard döste dort versteckt im Gebüsch ein wenig vor sich hin und wartete geduldig auf das Einfallen der Hähne zur Bodenbalz, als plötzlich zwei Schüsse fielen. Erschreckt fährt er hoch. Schüsse? Er muss wohl eingeschlummert sein und geträumt haben, greift aber instinktiv zum Fernglas und sieht in einiger Entfernung zwei Personen. Der eine trägt eine Jagdwaffe, der andere einen erlegten Birkhahn. Kurz darauf hört er das Geräusch eines davonfahrenden Autos. Eberhard ist sehr empört: Jagd auf Birkwild im Naturschutzgebiet, zweifaches Missachten der Gesetze! Schon am Abend war ihm aufgefallen, dass die Schilder, die das Naturschutzgebiet kennzeichnen, verschwunden waren. Und nun Wilderei! Er eilt nach Hause, schreibt eine Anzeige gegen „Unbekannt“ und entschließt sich, diese gleich selbst zur Naturschutzverwaltung zu bringen, eines Lobes gewiss. Der Vertreter der Bezirksnaturschutzbehörde schaut jedoch bei Eberhards Bericht recht mürrisch drein, wirft einen kurzen Blick auf die Anzeige und sagt schließlich: „Weißt du, wen du gerade angezeigt hast? Den Minister für Staatssicherheit persönlich!“ Eberhard schaute ihn entgeistert und ungläubig an. Augenblicklich aber erfasste er den Kern dieser Mitteilung. „Ihr habt von seinem Kommen und seinen Absichten gewusst und selbst die Naturschutzschilder entfernt“, stellte er dann sachlich fest, „Ich dachte, die Gesetze sind für alle gültig!“ Für alle! Er musste es nochmals betonen. 39

Sein Gegenüber zuckt mit den Schultern und dann zerreißt er folgerichtig die Anzeige, denn der Frevler war ja bekannt. „Du behältst die Sache für dich und vergisst sie am besten ganz schnell, und denk mal über deine Bemerkungen nach!“ E. grollte noch eine Zeit vor sich hin. Natürlich wusste er, dass immer ein paar Leute vor dem Gesetz gleicher sind als andere. Nur dass es seine Waldhühner betraf, wurmte ihn sehr. Dennoch oder gerade deshalb widmete er sich ihnen weiter mit großem Interesse und entschloss sich zu einer Doktorarbeit über ihr Vorkommen im hiesigen Einstandsgebiet. Die Unterstützung seiner Dienststelle zur Promotion wurde ihm zugesichert. Es vergingen sieben Jahre. Die Waldhühner fühlten sich einigermaßen gut und erfreuten Naturschützer und Waidmänner. Wilderei war nicht bemerkt worden. Und dann geschah es doch wieder! Diesmal musste ein Auerhahn dran glauben. Die Wilderei aber wurde diesmal nicht nur beobachtet, sondern von einem Naturschutzhelfer gefilmt. Eigentlich hatte Ernst die Auerhahnbalz filmen wollen. Mit seiner Kamera saß er im Laubholzbusch versteckt, als drei Männer am Balzplatz auftauchten. Im gleichen Moment fiel ein Auerhahn zur Bodenbalz ein, einer der Männer zielte und der Vogel fiel tot um. Einen Schuss hatte Ernst nicht gehört, nur ein leises Zischen. Die Schützen hatten es eilig mit ihrer Beute zu verschwinden. Unbemerkt folgte Ernst ihnen mit der Kamera, filmte das Verschwinden des Auerhahns im Kofferraum des Autos und erwischte auch das Berliner Kennzeichen. Eberhard meldete den Vorfall sofort, obwohl er zweifelte, dass die Wilderei diesmal aufgeklärt und die Wilderer bestraft würden. Doch schließlich war es seine Pflicht als Naturschützer und sie hatten mit dem Film ein so großartiges Beweismaterial. Kurze Zeit darauf wurden sie zur Staatssicherheit gebeten. Sie wurden freundlich empfangen, sehr freundlich, mit Kaffee und Kuchen. Der Leiter der Behörde gab sich verständnisvoll und vertraulich: „Das ist eine ganz dumme Geschichte, ich will sie euch erzählen. „Ein ganz hoher Staatsgast, der höchste“, sagte er gewichtig, „war zur Jagd auf einen Auerhahn im Staatsjagdgebiet eingeladen worden und hatte danebengeschos- A. Feiler, H. Hauptmann und E. Ulbricht (v.l.) auf „Rauhfußhühnerexkursion“ (April 1954). Wenn möglich, wurde von Sonnabend bis Sonntag „vor Ort“ übernachtet. 40

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